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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 21.04.2009
Aktenzeichen: 10 L 230/08
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 60
VwGO § 124a Abs. 3
1. Zum Erfordernis der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten bei der Berufungsbegründung nach § 124a Abs. 3 VwGO.

2. Fehlt die erforderliche Unterschrift, muss der Rechtsmittelführer glaubhaft machen, dass dies nicht auf einem Versehen des Bevollmächtigten beruht.

3. Zur Auslegung einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nach § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

10 L 230/08

In der Disziplinarsache

wegen Disziplinarrecht

hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 21. April 2009 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin - 10. Kammer - vom 26.09.2008 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung, durch die gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 800,-- Euro festgesetzt worden ist

Das Verwaltungsgericht hat die Verfügung geändert, den Kläger zu einer Geldbuße in Höhe von 700,-- Euro verurteilt und die Berufung zugelassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 3, 64 Abs. 2 LDG M-V, 125 Abs. 2, 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat die Frist für die Begründung der Berufung versäumt; Wiedereinsetzung wegen der Fristversäumnis ist ihm nicht zu gewähren.

Die Berufungsbegründungsfrist ist am 05.01.2009 abgelaufen.

Zwar ist das angefochtene Urteil dem Kläger am 06.10.2008 zugestellt worden, sodass die 2-Monats-Frist (vgl. §§ 64 Abs. 2 LDG M-V, 124a Abs. 3 VwGO) zur Begründung der am 29.10.2008 eingelegten Berufung regulär bereits am 08.12.2008 (einem Montag) abgelaufen wäre. Auf den am 03.12.2008 eingegangenen Antrag des Klägers hat der Vorsitzende des Senats aber durch Verfügung ebenfalls vom 03.12.2008, dem Kläger am selben Tag per Fax übermittelt, die Berufungsbegründungsfrist gemäß § 124a Abs. 3 Satz 3 VwGO bis zum 05.01.2009 verlängert. Die Fristverlängerung ist nicht bis zum 08.01.2009 gewährt worden. Das in der Verfügung vom 03.12.2009 ausdrücklich genannte Datum des "05.01.2009" ist eindeutig und auch nicht deshalb auslegungsfähig, weil die Verlängerung "antragsgemäß" erfolgt ist. Das Wort "antragsgemäß" besagt lediglich, dass der Antrag des Klägers entsprechend der erfolgten Fristverlängerung verstanden worden ist. Dem liegt auch kein offensichtlicher Irrtum zugrunde, denn auch im Verlängerungsantrag ist ausdrücklich dieses Datum ("bis zum 05. Januar 2009") genannt, wenn auch bei näherem Betrachten der weiteren Antragsangaben fraglich sein mag, ob die Fristverlängerung tatsächlich bis zu diesem Tag begehrt werden sollte. Dass der Bevollmächtigte des Klägers die tatsächlich erfolgte Fristverlängerung nicht anders (als bis zum 05.01.2009) verstanden hat, ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, wonach er seine Mitarbeiterin darauf hingewiesen habe, "dass der Schriftsatz an diesem Tage, am 05.01.2009, unbedingt gefaxt werden müsste, da Fristablauf sei" (Schriftsatz vom 07.01.2009, Seite 5). Auch in der eidesstattlichen Versicherung vom 07.01.2009 der erwähnten Mitarbeiterin heißt es, der Rechtsanwalt habe sie darauf hingewiesen, "dass der Schriftsatz an diesem Tag, am 05.01.2009 unbedingt gefaxt werden müsste, da Fristablauf sei".

Die somit am 05.01.2009 abgelaufene Berufungsbegründungsfrist hat der Kläger versäumt.

Tatsächlich ist dem Oberverwaltungsgericht allerdings am 05.01.2009 eine Berufungsbegründungsschrift zugefaxt worden. Dieser Schriftsatz ist jedoch vom Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht unterzeichnet worden und stellt somit keine wirksame Berufungsbegründung dar. Zu der gebotenen Schriftform gehört grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift. Bei der Übermittlung eines Schriftsatzes (ob durch normale Briefpost oder per Fax) kann das Fehlen einer Unterschrift jedoch ausnahmsweise unschädlich sein, wenn sich aus besonderen Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Willen ergibt, das Schreiben in den Rechtsverkehr zu bringen. Entscheidend ist dabei, ob sich dies aus dem bestimmenden Schriftsatz allein oder in Verbindung mit den ihn begleitenden Umständen hinreichend sicher ergibt, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste. Aus Gründen der Sicherheit kann dabei aber nur auf die dem Gericht bei Eingang des Schriftsatzes erkennbaren oder bis zum Ablauf der Frist bekannt gewordenen Umstände abgestellt werden. Dafür reicht es nicht aus, dass der nicht unterschriebene Schriftsatz auf einem mit dem Briefkopf des Bevollmächtigten des Klägers bedruckten Papier eingereicht wurde. Dies bietet keine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür, dass das Schriftstück von dem Prozessbevollmächtigten stammt und mit seinem Willen in den Verkehr gebracht worden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 04.09.2003 - 8 B 109/03 -, m.w.N., zit. nach juris). Auch aus dem Diktatzeichen ergibt sich jedenfalls nicht der Wille des Prozessbevollmächtigten, die Berufungsbegründung in den Rechtsverkehr zu bringen. Aber es erscheint auch zweifelhaft, dass aus dem Diktatzeichen für das Gericht erkennbar war, dass der Prozessbevollmächtigte selbst den Schriftsatz verfasst hatte, zumal die Berufungsschrift mit einem anderen Diktatzeichen versehen, aber unzweifelhaft vom Prozessbevollmächtigten unterzeichnet worden war.

Wegen der Fristversäumnis kann dem Kläger nicht gemäß § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, da er nicht im Sinne von Abs. 1 "ohne Verschulden verhindert war", die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.

Verschulden ist anzunehmen, wenn ein Beteiligter diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaft und sachgemäß Prozessführenden geboten ist. Das Verschulden des Bevollmächtigten ist gemäß §§ 173 VwGO, 85 Abs. 2 ZPO dem Beteiligten zuzurechnen. Zu bejahen ist das Verschulden u.a. dann, wenn die Unterschrift vergessen wird (vgl. Eyermann, VwGO 11. Aufl., § 60 Rn. 13 m.w.N.). Demgegenüber ist das Verschulden des Büropersonals des Rechtsanwalts diesem nicht ohne weiteres zuzurechnen (vgl. Redeker/v. Oertzen, VwGO 14. Aufl., § 60 Rn. 8 m.w.N.). Die Tatsachen zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Dies bedeutet, dass die "Beweislast" für die Umstände, die dafür sprechen, dass die Fristversäumung unverschuldet war, bei den Betroffenen liegt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO 15. Aufl., § 60 Rn. 29 m.w.N.).

Die Anwendung dieser Maßstäbe führt hier zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht glaubhaft gemacht hat, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.

Zwar könnte ein unschädliches Büroversehen anzunehmen sein, wenn der Prozessbevollmächtigte das Original der Berufungsbegründung (spätestens) am 05.01.2009 unterzeichnet hätte und seine Mitarbeiterin es versehentlich nicht - wie vorgesehen - an das Oberverwaltungsgericht, sondern entweder an den Kläger persönlich oder an die Rechtsschutzversicherung gesandt hätte. Dieser Sachverhalt ist aber jedenfalls nicht glaubhaft gemacht. Es bestehen bereits Zweifel, ob er denn vorbehaltlos vorgetragen worden ist. Denn in der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags werden die entsprechenden Angaben mit der Einschränkung "soweit dies nachträglich rekonstruierbar ist" eingeleitet. Auch die eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin beginnt die entsprechende Schilderung mit der Einschränkung "soweit ich dies nachträglich rekonstruieren kann". Dies bedeutet, dass ein Geschehensablauf, der möglicherweise den Prozessbevollmächtigten des Klägers entlasten würde, lediglich möglich erscheint. Dies reicht jedenfalls nach den konkreten Umständen des Falles hier nicht aus. Denn es wäre ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, beim Kläger persönlich bzw. bei der Rechtsschutzversicherung nachzufragen, ob das Original tatsächlich dorthin gesandt worden ist. Gegebenenfalls hätte es auch dem Gericht vorgelegt werden können. Dass der Prozessbevollmächtigte die Unterschrift tatsächlich vergessen hat, erscheint auch nicht gänzlich ausgeschlossen; der Schriftsatz sollte zunächst dem Kläger "zum Gegenlesen" übermittelt werden, was aber jedenfalls nicht auf Anhieb geklappt hat. Außerdem ist dem Gericht am 07.01.2009 mit normaler Briefpost die Berufungsbegründungsschrift vom 02.01.2009 in dreifacher Ausfertigung zugegangen. Zwei Exemplare weisen den Stempelaufdruck "beglaubigte Abschrift" auf. Das Exemplar, das diesen Stempelaufdruck nicht trägt und im Schriftsatz vom 07.01.2009 ausdrücklich als "der Originalschriftsatz" bezeichnet wird, weist - wie schon der zuvor gefaxte Schriftsatz - keine Unterschrift auf.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 77 Abs. 4 LDG M-V, 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtsgebühren werden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 LDG M-V nicht erhoben.

Die Revision ist nicht zuzulassen gemäß §§ 69 Abs. 1 LDG M-V, 132 Abs. 2 VwGO.

Ende der Entscheidung

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